Man muss erst sein Gedächtnis verlieren, und sei es nur stückweise, um sich darüber klar zu werden, dass das Gedächtnis unser ganzes Leben ist, unser Zusammenhalt und Grund, unser Handeln und Gefühl. Die menschliche Fähigkeit, Gedächtnisinhalte zu externalisieren, Informationen ausserhalb aufzubewahren und weiterzugeben, also Erfahrung über Sprache und Bild zu vermitteln ist als Grundlage von Kultur zu verstehen. Das Gedächtnis ist der Mechanismus, der die Erfahrungen mit der Umwelt in die Struktur des Nervensystems umsetzt, wodurch Erinnerung und Reflexion ermöglicht wird. Mnemosyne, das Gedächtnis, ist die Mutter aller Musen.

Das reflexive Gedächtnis bietet die Möglichkeit, sich selbst in einem Raum-Zeit-Kontinuum zu situieren, die eigene Umwelt planmässig zu erschliessen und auszuwerten. Es erlaubt in einem unendlichen Raum von Aufschüben und Warten ein Handeln, das auf Auswahl und Timing beruht. Dauer und Intervall erfordern die Vorstellung von Zeit als einer Linie. Linear fortschreitend sind allerdings nur die fliehenden Jahre – kleinere Einheiten wie Minuten, Stunden, Tage und Monate sind zyklisch angelegt. So wird Zeit auch doppelt erlebt: als innere zyklische Rhythmen und gegliedert durch Takte aus äusseren, terminierten Gewohnheiten. Die Hauptaufgabe des Gehirns besteht darin, die Rhythmen und Takte von Aussen- und Innenwelt zu synchronisieren und damit Wahrnehmung und Handlung zu ermöglichen. Der Augenblick, in dem Zukunft in Vergangenheit umschlägt, ist nicht messbar und doch der einzige Ort des Handelns. Vergegenwärtigen von Vergangenem ist sich erinnern im Jetzt.

Jürg Kesselring, Neurologe

Karin Karinna Bühler *1974, lebt und arbeitet in Trogen und St. Gallen. 

Bewusstsein für den Augenblick wünschen Ihnen Familie Lienhard und die Mitarbeiter der Lienhard office group und der alid AG

Karin Karinna Bühler (*1974), Teufen

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